Biografie Mkrtich Nagash

Mkrtich Nagash (1390-1470) war ein bedeutender Priester, Dichter, Maler und Pädagoge, der zu einer Zeit in Armenien lebte, in der das Volk unter großen Strapazen litt, als Kriegswirren, Pest und ungerechte Besteuerung durch das Ottomanische Kaiserreich das Leben zu einer schwierigen und unbeständigen Angelegenheit machte.

Nagash wurde in Bitlis (nördlich des Van Sees) in eine Priesterfamilie hineingeboren. Er besuchte mehrere Klosterschulen, wurde Erzbischof der Armenischen Gemeinde in Mesopotamien und war ein Ratgeber des Armenischen Katholikos (des obersten Patriarchen der Armenischen Kirche). Seine Ehefrau starb kurz nach der Geburt seines Sohnes, worauf sich sein Lebensinhalt komplett änderte. Er zog an das Südufer des Van Sees in das Hauptzentrum Tigranakert.

In den späten 30ern des 15. Jahrhunderts ließ Nagash eine der Kirchen in Tigranakert modernisieren. Unglücklicherweise tat er das auf so einem hohen Niveau und in einem dekorativen Stil, dass er die lokalen Moscheen übertrumpfte und den Zorn der islamischen Kleriker auf sich zog. Die Kleriker machten den Emir auf den vermeintlichen Hohn aufmerksam, der daraufhin die Kuppel der gerade erneuerten Kirche einreißen ließ.

Nagash beschloss, nach Konstantinopel, einem weiteren Zentrum des Armenischen Volks, zu gehen. Da Konstantinopel damals von den Ottomanen besetzt war, war sich Nagash bewusst, dass es noch zu unsicher war, über das Schwarze Meer zur Krim-Halbinsel zu segeln, einem wichtigen Zentrum, das heute als Feodosiya (Caffa) bekannt ist.

Obwohl Nagashs Erlebnisse tatsächlich einzigartig waren, so war es doch nicht unüblich für ein männliches Familienmitglied, das Heim zu verlassen, um in eine der großen Städte (oft Konstantinopel) zu ziehen, um vor den ungünstigen Lebensbedingungen durch Pest, Kriege und Armut zu entfliehen. Armenisches Leben war schon immer sehr familienorientiert und unter den Strapazen dieser Zeit waren diese Alleinwanderungen höchst ungewiss. Familien wurden auseinandergerissen und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass der, der die Reise antrat, niemals wiederkehren würde.

Die Erfahrung der Migration ließ ein besonderes folkloristisches Genre der mündlichen Lyrik entstehen, das auf der Notlage des ‘Ghareeb’ oder Wanderers basierte. Diese spontanen Dichtungen wurden oft mit Melodien unterlegt und auf dramatische Art und Weise gesungen. Die Sprache in den Gedichten ist sehr direkt und zugänglich. In Kombination mit ihren komplizierten Reimschemen und theatralischen mündlichem Vortrag kann er vielleicht sogar als eine Art anspruchsvoller armenischer Rap gelten!

Es ist klar, dass Nagash die Strapazen eines ‘Ghareeb’ aus erster Hand kennenlernte, aber was seine Gedichte so bemerkenswert macht, ist der Fakt, dass er der erste Dichter war, der diese Gedanken aus dem Exil transkribierte. Obwohl er ein großer Gelehrter und ein ranghoher Kirchenmann war, bilden die 17 noch verbliebenen Texte ein Medium, mit dem dem die einfachen Leute der armenischen Gemeinde erreicht werden konnte. In Nagashs Schriften sehen wir zum ersten Mal eine Kombination zweier Traditionen; zum einen die des hohen Schreibstiles, den man oft mit Gelehrten und der Kirche in Verbindung bringt, zum anderen ein mündlicher Stil, für einen Barden charakteristisch.

Da er ein Kirchenmann war, waren Nagashs Gedichte für seine Gemeinde ein Mittel zur Beratung und können in einem metaphysischen Lichte betrachtet werden. Wir alle sind auf Erden und wir alle haben uns weit von unserer ursprünglichen Heimat (Eden oder eine vollkommene Zwiesprache mit dem Göttlichen) entfernt. Es gibt eine ultimative Rückkehr nach Hause zum Zeitpunkt des Todes, der zu jeder Zeit eintreffen kann. Die Gedichte beschwören, doch sein Leben zu überdenken. Sei vorbereitet und mache keine unbedachten Entscheidungen. Am Wichtigsten jedoch: Sei eins mit Gott, so dass du bereit bist, deinem Schöpfer zu sehen, wenn du den langen Heimweg antrittst.

Ein anderes signifikantes Thema, das Nagashs Werk durchzieht, kann auf die Schullehren des Alten Testaments, vor allem Ecclesiastes, zurückgeführt werden. ‘Eitelkeit der Eitelkeiten; alles ist Eitelkeit’ ist ein Thema das immer wieder im alten und neuen Testament sowie in der Dichtung von Mkrtich Nagash verwendet wird. Gehe keine tiefen Verbindungen mit weltlichen ‘Dingen’ ein. Nichts von alle dem wird bleiben. Lege deine Schätze in der längeren Halle im Himmel darnieder. Guter Ratschlag und die Empfehlung wie man sein Leben führt – allerdings ‘zuckert’ Nagash die bittere Pille mit Poesie und Musik.

Dieser Gedankenfluss ist eine treibende Kraft im mittelalterlichen Islam und Buddhismus. Es ist bemerkenswert dass sich die drei großen Religionen zu diesem Zeitpunkt in einem engen Austausch befanden.